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Blindsimultan mit HuhnMit sehr gemischten Gefühlen startete ich am Samstag, den 6. Juni das Blindsimultan - Event im Krumbacher Vereinsheim. 15 Teilnehmer hatten sich eingefunden, somit war ein Ziel schon einmal erreicht: Mein persönlicher Rekord von 13 Gegnern war damit schon vor dem 1. Zug gefallen. Der alte Rekord liegt jedoch schon über 10 Jahre zurück und stammt somit aus einer Zeit, zu der ich im Keller noch wusste, weshalb ich überhaupt hinuntergegangen war und wo noch nicht mindestens 8 von 10 Aufbackbrezeln im Herd zu Asche verbrannten, weil ich sie dort inzwischen regelmäßig ihrem Schicksal überlasse. Insofern konnte ich mir nicht sicher sein, ob es nicht in einem Fiasko enden würde, bei dem mir schon nach wenigen Zügen die Stellungen komplett entfallen sein könnten. Darüber hinaus waren es gleichzeitig meine letzten Partien im "Krumbacher Dress", denn ich werde in der kommenden Saison voraussichtlich bei keinem Verein spielen - da wir im Oktober das 2. Kind erwarten, ist für Schach leider kein Platz mehr frei.

Um 10 Uhr schließlich begann das Abenteuer mit 1.c4 an Brett 1 gegen Franz Brosch; danach sagte ich reihrum auch an den übrigen Brettern meinen 1. Zug an. Dies und auch die Sitzordnung der Teilnehmer folgte einem im Vorfeld ausgeklügelten, merkfreundlichen System: Der Spielsaal war komplett in "Eröffnungstische" eingeteilt. So gab es einen c4- Tisch mit 2, zwei d4- und e4-Tische mit je 4 Brettern sowie ein paar Einzeltische für Klozüge wie 1.f4 oder sogar 1.b4. Am den "Repertoiretisch" (1.d4) platzierte ich die starke Gegnerschaft, während die Jugendlichen allesamt 1.e4 vorgesetzt bekamen. Die Idee dahinter war, gegen den Nachwuchs zu schnellen Angriffssiegen zu kommen, damit sich die Reihen schnell lichteten. Es sollte jedoch ganz anders kommen.... .

Zu meiner Überraschung verlief die Eröffnungsphase weitgehend reibungslos. Bei meinen bisherigen Blindsimultan-Versuchen hatte ich genau dort immer mit gewissen Problemen zu kämpfen - zu diesem Zeitpunkt haben die Partien meist noch kein "Gesicht", man hat sich noch nicht tief genug hineingedacht und es kommt leicht zu Verwechslungen, wenn an mehreren Brettern die gleiche oder ähnliche Eröffnungen gespielt werden. Dieses Mal jedoch hatte ich die Bretter von Anfang an relativ gut im Kopf und es kam während des gesamten Wettkampfs nur zu ganz wenigen kleinen Verwechslungen und auch nur zu einem, gleichwohl schmerzhaften Einsteller (s. Partien). Nichtsdestotrotz müsste ich für spätere Wettkämpfe meine Eröffnungswahl unbedingt überdenken - mit ungewohnten Eröffnungszügen wie 1.f4, 1.b3 u.ä. holte ich nicht nur keinerlei Vorteil heraus, sondern kämpfte nicht selten schon nach wenigen Zügen ums Überleben. So stand ich gegen Georg Eppler mit 1.f4 schon bald mit dem Rücken zur Wand und musste am Ende froh sein, in ein Endspiel mit ungleichfarbigen Läufern zu entwischen. Auch gegen Rosi Sodbakhsh (SK Kriegshaber) hatte ich mit dem so genannten "Nimzowitsch-Larsen-Angriff" (so wird 1.b3 bisweilen genannt, vornehmlich jedoch wohl nur, um diesem Schrottzug doch noch irgendwie ein gefährliches Image zu verpassen und so der Welt ein unnützes Buch darüber zu verkaufen) schon recht bald eine ziemlich anrüchige Stellung, in der ich von Glück reden konnte, dass mein ansonsten schlecht platzierter Springer a5 die Schwarze an den wichtigen Bauern b7 band, so dass sie nicht frei zum Angriff kam. Dennoch sicherte sich Rosi sehr souverän den halben Punkt; in dieser Partie hatte ich nie eine Chance auf mehr.

Wie eingangs schon erwähnt, schlug der Versuch, gegen die Jugendlichen schnell zum Erfolg zu kommen, gründlich fehl. Alle drei leisteten erbitterten Widerstand und kämpften nicht nur bis zur letzten Patrone und teilweise über die fast volle Distanz, sondern es gelang ihnen sogar, mir den einzigen vollen Punkt abzunehmen - Andi Mayer spielte mit einer Minusfigur erfolgreich weiter und nutzte ein Über"sehen" meinerseits zum Turm- und Partiegewinn (s. Partien).

So brauchte es volle 4 Stunden, ehe sich die Zahl der Bretter erstmals verringerte. Gegen 14 Uhr einigten Jörg Wiendieck und ich uns in absolut ausgeglichener Stellung auf Remis - beide Seiten konnten in einer zementierten Englischen Partie kaum noch aktive Maßnahmen ergreifen. Kurz darauf strich Sandra die Segel, nachdem sie im "Orang-Utan" (1.b4) einen Qualitätsverlust übersehen und in einem aussichtslosen Endspiel gelandet war. Doch meine Versuche, die Reihen weiter zu lichten, schlugen fehl und es dauerte noch eine ganze weitere Stunde, ehe mir gegen Hermann Reif ein weiterer Sieg gelang. Diese Partie hat unheimlich viel Spaß gemacht - in der Noteboom-Variante der Slawischen Verteidigung opferte ich zwei Bauern für einen heftigen Angriff auf Hermanns König, der in der Mitte steckengeblieben war. Am Ende erzwang ein doppeltes Figurenopfer Damengewinn oder Matt, so dass Hermann nur die Aufgabe blieb (s. Partien).

Doch die Freude darüber währte nur kurz, denn unmittelbar darauf wurde ich von Andi wieder auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt und verlor erstmals (s.oben). Nun liefen noch 11 Partien und wieder sollte es eine ganze Stunde dauern, ehe sich diese Zahl weiter reduzierte. Dann endlich gelang es mir, den König von Erhard Fischer, der ausgezeichnet gekämpft hatte und in der ihm unbekannten Eröffnung oftmals die einzigen spielbaren Züge fand, in ein Mattnetz zu locken. Es folgten vier Remisschlüsse: In einer vogelwilden Partie gegen Franz Brosch hatte ich lange starken Angriff auf den schwarzen Wanderkönig, verpasste jedoch irgendwo Abschluss samt Überblick und landete in einem Endspiel mit Turm und Bauer gegen 2 Figuren, das wegen der stark reduzierten Bauernzahl kaum Gewinnpotenzial für beide Seiten barg. Gegen Uli Kapfers solide Behandlung der Réti- Eröffnung fiel mir während der ganzen Partie nicht mehr ein, als in ein ausgeglichenes Endspiel abzuwickeln, in dem wir beide noch Dame und Läufer hatten und keine Seite über Vorteil verfügte. Nach der hart erkämpften Punkteteilung gegen Georg Epplers ausgezeichnete Behandlung der Bird-Eröffnung (nie wieder spiele ich 1.f4, ich schwöre es!), wo ich lange mit einem Wanderkönig unter Beschuss stand und am Ende gerade noch in ein ungleichfarbiges Läuferendspiel abwickeln konnte, folgte noch ein Endspielremis gegen Peter Reichardt (SK Kriegshaber) zum Zwischenstand von 5,5:3,5. Nach ausgeglichener Eröffnungsphase erspähte ich eine kleine Kombination, die zu vermeintlichen Qualitätsgewinn führen sollte. Doch als Peter sich bereitwillig darauf einließ, wurde ich Gott sei Dank noch rechtzeitig misstrauisch und bemerkte, dass ein "ausgeblendeter" schwarzer Läufer auf e4, dessen Existenz ich völlig verdrängt hatte, diese Kombi unmöglich machte. Dennoch führte die Lightversion davon zumindest zu einem besseren Endspiel mit Läuferpaar und Turm auf der siebten Reihe, doch meine ungenügende Technik in Tateinheit mit Peters ausgezeichneter Verteidigung ließ auch diese Partie ins Remis verflachen.

Nun waren bereits 7(!) Stunden vorbei, es liefen immer noch 6 Partien - und so ganz allmählich ging mir die Puste aus. Trotzdem konnte ich noch zwei Partien gewinnen - die beiden Jugendlichen Lukas Gast und Joachim Rieß mussten schließlich doch noch die Segel streichen, aber Hut ab, dass sie so lange durchhielten! So blieben noch vier Kontrahenten und 4 durchwachsene Stellungen übrig - gegen den stärksten Teilnehmer im Feld, Thomas Heining, stand ich nach gut verlaufener Eröffnung und Mittelspiel plötzlich im Turmendspiel unter Druck, gegen Rosi ausgeglichen und gegen Ernst Fischer (El Präsidente stand lange etwas gedrückt, fand jedoch im Endspiel ein interessantes Bauernopfer, das zu einer soliden Blockadestellung mit guten Remischancen führte) sowie den Ex-Krumbacher Peter Schorer (der seit 10! Jahren nicht mehr gespielt hatte und schon allein deshalb ausgezeichnet dagegenhielt - seine Partie war wegen der verschachtelten Bauernstruktur und den wenigen Abtäuschen für mich die mit Abstand komplizierteste gewesen) jeweils etwas besser, doch nachdem wir uns bereits in der 8. Spielstunde befanden, einigten wir uns darauf, diese Partien allesamt Remis zu geben, was wohl auch vom addierten Ergebnis (2:2) her der wahrscheinlichste Ausgang gewesen wäre.

So endete der Wettkampf schließlich mit dem Ergebnis von 9½:5½ (+5 =9 -1). Ich möchte mich an dieser Stelle bei allen Teilnehmern für Ihre Teilnahme und den schönen Turniertag bedanken und hoffe, dass es allen gefallen hat. Als Erkenntnis bleibt für mich, dass vielleicht noch mehr Gegner möglich gewesen wären - vielleicht auch 20 oder sogar 25. Aber versuchen werde ich das wahrscheinlich nicht mehr, denn mit zunehmender Teilnehmerzahl wächst auch gleichzeitig die Dauer der Veranstaltung zu stark an. Ich vermute, dass ein Blindsimultan etwa gegen 25 Gegner mindestens 12 Stunden dauern würde - und das kann man nun wirklich keinem mehr zumuten; darüber hinaus ist es kaum machbar, über einen so langen Zeitraum konzentriert zu bleiben.

Eine kleine Partienauswahl gibt es hier; einige Teilnehmer haben auch Fotos vom Wettkampf gemacht, ich werde diese dann einstellen, sobald ich sie habe.