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Herbstzeit – Wanderzeit; und natürlich auch Schachzeit! Wie alle Jahre, so pilgerten auch heuer wieder über 450 Schachfreunde aus aller Herren Länder ins „bayerische Schachmekka“ nach Bad Wiessee am Tegernsee. Auch der SK Krumbach stellte mit 6 Akteuren (Thomas, Albert, Rainer, Jörg, Eugen und dem Verfasser) aus 3 Mannschaften wieder ein beachtliches Kontingent. Und ca. 25 GM’s (davon 10 mit 2600+) sorgten zudem auch an der Spitze für reichlich Gedränge und Spannung.

Zum hohen sportlichen Stellenwert gesellte sich dieses Mal auch ein nahezu durchgängiges Kaiserwetter, was dem Urlaubs- und Freizeitzeitwert dieser heuer zum 14. Mal stattfindenden Veranstaltung sowohl in der A-, als auch in der B-Note je eine glatte 6,0 bescherte. Doch kommen wir zum sportlichen Verlauf, an dessen Ende wir 6 uns insgesamt 28,5 Punkte vorgenommen hatten.

 

1. Runde

Thomas plagt sich gegen einen deutlich Schwächeren, aber mehr als Remis ist nicht drin. Er sieht einfach (noch) nichts, meinte er im Anschluss. Diese Linsentrübung wird sich aber bald regulieren! Albert quält und knetet sich und seinen Gegner gleichfalls nach Kräften – aber auch hier bleibt es trotz aller Anstrengungen bei einer Punkteteilung.

Rainer bekommt einen Jungen von München-Südost zugelost. Deren DWZ hängt ja bekanntermaßen oft 200-300 Punkte hinter ihrer realen Stärke zurück. Er hat Partie und Gegner bis auf einen leichten Wackler jedoch sicher im Griff und streicht verdient den Punkt ein. Jörg hält gegen IM Dr. Reefschläger mit Blumenfeld als Nachziehender gut dagegen, muss aber dann doch der Turniererfahrung des alten Kämpen seinen Tribut zollen und den Punkt abliefern.

Eugen zeigt sich gut präpariert gegen Königsgambit, doch sein deutlich höher gesetzter Gegner drückt ihn nach und nach positionell an die Wand. Ich selbst musste mich – entgegen der morgendlichen Prognose des Antenne Bayern Studiotechnikers Josef Nullinger „bei mir ist alles lang … sogar die Unterhose“ nicht warm anziehen und fertigte meinen 500 DWZ schwächeren Gegenüber in 19 Zügen ab.

Unsere eigens mitgereiste georgische Trainerin Sandra Wiendieckwili ist von unseren Leistungen nicht nachhaltig überzeugt. Ob es morgen mehr Feuer gibt?

Die erste Sensation lieferte das olympische Spitzenbrett GM Buhmann. Gegen den 83 jährigen Turniersenior Niek Oud aus Holland kam er nicht über die Punkteteilung hinaus und kegelte sich so schon in Runde 1 aus dem Rennen um das ganz große Preisgeld (1. Platz: 2.500 Euro).

 

2. Runde

„Die Russen kommen“. Quatsch! Die sind natürlich schon da und das wie immer gleich haufenweise. Bei uns im Hotel hat es sich sogar der Favorit „El Khalif“ bequem gemacht. Ob der uns ein paar Varianten zum Vorzugspreis verkauft?

Nach unserem Ausflug auf den Riederstein laufen wir zunächst den dortigen Kreuzweg in umgekehrter Reihenfolge runter. Da ich mich nicht zu den erfahrenen Bergziegen zähle, rinnt mir natürlich der Schweiß aus allen Poren. Dies wirft in Albert beim Anblick der entsprechenden Votivtafel die Frage auf, ob er mir nicht ein Schweißtuch reichen soll? Als leidender Christus sage ich natürlich „Danke, Veronika“ zu ihm! Dies entwickelt sich umgehend zum running gag.

Und von wegen Feuer: Ansonsten wird es ein desaströser Tag, an dem Büsche, Bäume und ganze Hirnwindungen brennen und die Trainerin bereits zur Abreise zwingen. Thomas z.B. hadert erneut. Sein Gegner mit DWZ unter 1900 hat eine Sternstunde und spielt das perfekte Endspiel: Remis. Albert kniet sich auch ohne Schweißtuch mächtig rein, aber … sein Gegenüber rettet sich ins Dauerschach!

Getoppt aber wird alles von Rainer. Er spielt auf hohem Niveau sicher gegen einen mit 2200; absolute Remisstellung, der vermeintlich Stärkere lehnt Remis ab und spielt das „Remisendspiel“ solange bis Rainer den einzig machbaren Fehler findet und verliert. Danach ist er verständlicherweise angeknockt. Es dauert ein paar Tage, bis er diesen Tiefschlag wieder verdaut hat.

Jörg sorgt für den einzigen Lichtblick an diesem Tag und gewinnt souverän. Ich selbst werde zum wiederholten Male Opfer eines Synapsenbrands (wo wird der eigentlich destilliert? Bezugsadresse bitte an mich) und schmeiße gleich Rainer einzügig ein sicheres Remis gegen einen mit 2220 weg!

Eugen trumpft großartig auf, kann die Partie mehrfach gewinnen, verzettelt sich und kann zum unglückseligen Ende den Weg nicht finden, wie er mit seinem Springer die zwei verbliebenen gegnerischen Bauern halten kann.

Soviel Mist schreit nach dem Alkoholbad, welches ihn herausfiltriert. Man entscheidet sich zum Einstieg für Mr. Vu’s weichen Pflaumenwein, da man sein Gehirn ja vielleicht doch noch etwas länger benötigt; wie auch immer: „es gibt Reis, Baby“ und dazu noch den Beschluss: 7 Tage, 7 Schnäpse! Die müssen das richten, wozu die Kohlenstoffeinheiten nicht in der Lage sind.

 

Runde 3

Welch Freude! Zu Helloween ist Besuch angesagt: Die Jussis kommen! Artur hält einen gut besuchten Vortrag im Zusammenhang mit seiner Tigersprungreihe. Wir können uns im Anschluss nicht so recht entscheiden, ob wir nicht doch erst noch mal mit der 1500-er Serie beginnen sollen. Meine diesbezügliche Anfrage bei Nadja quittiert sie mit dem Griff zum Buch „Tragikomödien im Endspiel“. Danke für’s Gespräch! Und so etwas mir, der sich seit Jahrzehnten mit seiner DWZ charttechnisch in einer stabilen Seitwärtsbewegung befindet!

Nix für ungut! War toll, dass Ihr da ward, auch wenn Katja mich partout nicht fotografieren wollte; sie hatte nur Augen für Rainer, der zwei Bretter weiter saß! Lag’s an meiner Brille oder am fehlenden 3-Wetter Taft in meiner Frisur? Das muss ich noch mal klären. Zum Schluss war aber auch ich im Kasten und die Familie Jussupow ging wieder. Artur musste ja auch gleich weiter zu einem Turnier nach Barcelona. Wir verdrücken uns mit dem Variantenkoffer noch ein wenig in die hauseigene Sauna, bevor es zu folgenden Szenen kam:

Nachdem Thomas morgens bereits mit der Mitleidnummer hausieren ging („ich bin der schlechteste FM …“), bewies er abends aber das Gegenteil und spielte seinen Kontrahenten im Endspiel sicher aus. Albert stand ihm da in nichts nach und fuhr sicher einen Punkt ein.

Rainer? Rainer! Eigentlich fehlen einem da die Worte. Aber nach so einem Ei wie gestern, muss der Kopf auch erst wieder frei werden. Ab heute Beförderung zum Doppelnullagenten (oder Doppelnullinger? Der lädt heute Abend übrigens zu einer Laubsaugerstripteaseparty ein ... mal checken, wo). Eugen verweigert Gottseidank die große Rochade und fasst mit einem Unentschieden erst mal Tritt.

Jörg erzielt ein sicheres und korrektes Remis. Auch mein Kopf hängt noch bei gestern, aber mein Gegner heute heißt mit 2. Namen Chancentod! Nachdem er 5 mal den Sack nicht zumacht, wache ich endlich auf und sehe im Endspiel einen Zug mehr als er. Jawohl! Strike!

Während Buhmann mit dem 2. Remis seinem Namen alle Ehre macht, lösen wir die verkrampften Synapsen heute all’italiano mit Grappa und Eros. Äh, pardon/scusa: ich meine natürlich Ramazzotti! Wo Nullinger’s Fete abgeht, vermag uns indes keiner zu sagen.

 

Runde 4

Bei den GM’s lichten sich die Reihen. Es gibt noch neun verlustpunktfreie Spieler, darunter auch die Favoriten Khalifman, Fridman, Sandipan und Khenkin. Wir nutzen den Tag für eine Analyse des Grauens. Eigentlich hätten die Kürbisköpfe die letzten Tage vor uns davonrennen müssen. Gummibärchen von Haribo kommen als Dopingmittel zum Einsatz in der Hoffnung, daß wir mit dem Süßen den anderen Saures geben können!

Thomas remisiert erneut. Positiv zu werten ist hierbei, daß er sich erfolgreich einer 0 widersetzt. Männer, nehmt euch ein Beispiel!

Albert hat nicht aufgepasst. Heute quittiert er seinen 1. Verlust, während ich gegen den Neuzugzwängler Gerstner eine Gewinnstellung erarbeite, den Weg zur Realisierung aber nach über 5 Stunden schlichtweg nicht sehe. Was würde Dickie Hoppenstedt wohl dazu sagen?

Dasselbe wie bei Rainer, der nun wirklich groß rochiert! Zickezacke Hühnerk…! So kann das aber nicht weitergehen! Jörg läuft erneut sicher den Remishafen an und Eugen sollte nach seinem heutigen Friedensschluss morgen endlich der grosse Wurf gelingen!

Abends in der Post unterhält man sich dann angeregt mit Bernhard Jehle und landet fußballtechnisch unvermeidbar bei van Gaal, Gomez und dem Fränglisch von Loddar Maddäus, das Rainer’s Schwabacher Kollege und Ehrenkrumbacher Roland Reuter, der uns die ganze Woche als  „Appendix“ begleitet , natürlich wie kein Zweiter intonieren kann. Again what learned!

 

Runde 5

Nach dem Frühstück zieht’s Jörg, Eugen und mich nach Tegernsee in die Sauna „Monte Mare“. Echt genial dort und unbedingt empfehlenswert. Heißester Tipp: Die Sauna im ehemaligen Tegernseeschiff „Irmengard“ und danach eine Abkühlung im Tegernsee selbst! Swee(a)t dreams are made of this!

Nach unserer Rückkehr sagt die Hotelchefin Fr. Wagner-Beilhack zu Jörg, daß aus dem Zimmer der beiden Inder die dort wohnen so ein komischer Geruch käme. Wir diskutieren dies und kommen in der Analyse zu dem Ergebnis, dass die beiden IM’s Chowdhury und Satyapragyan neben „curry chicken“ höchstens noch ein paar scharfe Varianten in ihrer Giftküche zubereiten oder eine Mulagadawny-Suppe köchern. Mehr lässt sich mit Rapsöl, Schalotten und Peperoni von Tengelmann wohl schwerlich anrichten!

Die Runde als solche spiegelt unsere Fähigkeiten bzw. die herrschende Form wieder:

Abends im Weinlokal Weinbauer bootet Rainer sein Gehirn mit Weisswein neu. Marillenschnaps ist das Angebot des Tages. Ja, doch, er wirkt; zumindest für den Moment. Mal sehen, was der morgige Tag bringt.

 

Runde 6

Die Toppaarung der Runde lautet Khenkin gegen Sandipan. Beide waren mit 5 Siegen en suite gestartet. Ihre Partie nimmt einen scharfen Verlauf, endet jedoch wie von den Auguren erwartet mit einem Friedensschluss. Was wäre wohl passiert, wäre Sandipan vorher bei seinen Landsleuten zu Gast gewesen?

Thomas ist in großartiger Form. Gegen IM Fradkin (ELO 2454) sieht er fast alles und nimmt ihm verdientermassen einen halben Punkt ab! Chapeau! Albert hat seinen Widersacher aus dem sächsischen „Schachdorf“ Grossröhrsdorf sicher im Griff und holt den vollen Zähler.

Eugen verabsäumt es zum wiederholten Mal den Teskeschen Vorteilsverwerter zuzuschalten und muss sich mit Remis bescheiden. Ich hingegen zermalme meinen deutlich schwächeren Kontrahenten regelrecht in 16 Zügen.

Bei Rainer platzt endlich, wenn auch ein wenig glücklich, der Knoten! Aber es war mehr als verdient und jetzt ist nach oben noch eine Menge Luft! Jörg verliert in der längsten Partie des Tages am Ende unglücklich gegen den ehemaligen Kehlheimer Blodig. Schade: Er war so nah dran!

Der Ausklang geriet heute italienisch. Albert und ich übten uns in heiterem Musikraten und nahmen erfreut zur Kenntnis, dass Caruso, Gigli, Pertile und Bjoerling uns ebenso vertraut sind, wie Pavarotti. Che fantastica storia e la vita.

Auf dem Heimweg treffen wir noch auf die Dillinger. Auch die hadern mit ihrem Schicksal, werden aber im Schlussspurt noch überzeugen.

 

Runde 7

Anhaltendes Traumwetter führte uns morgens rund um den Schliersee und über die Ruine Hohenwaldeck ins Zwitscherstüberl, wobei der Name gefährlicher war als der Aufenthalt dort. Schließlich stellt Johannisbeerschorle keine ernsthafte Beeinträchtigung der Gesundheit dar.

Derart gerüstet ging es an die Bretter, wo ich zum 3 mal in Folge als Nachziehender zügig in einem Franzosen unterging. Ich muss also mal wieder Theorie büffeln oder auf Schwedisch umsteigen. H.P. Kerkeling hat’s ja vorgemacht.

Eugen leistet Unglaubliches. In Gewinnstellung stellt er die Dame ein. Von allen guten Geistern verlassen kann er’s selbst nicht glauben. Oje. Sein Turnier ist das wahrlich auch nicht. Jörg verliert glatt und Rainer zweifelt gar an seinem Schachverstand.

Unseren 4 Eiern halten Thomas und Albert 2 saubere Gewinnpartien entgegen. Von unserem Ziel von 28,5 Punkten müssen wir trotzdem wohl nachhaltig Abstand nehmen.

Abends begleitet uns Tobias Wenner aus Eppingen zum Vietnamesen. Auch bei ihm läuft es heuer nicht berauschend, aber wenn’s im Spiel nicht läuft, geniesst man die Geselligkeit um so mehr.

 

Runde 8

Beim Frühstück kommen heute angesichts rauer Mengen an Rührei- bzw. Spiegeleibestellungen bestimmte Fragen auf. Ja, ja: Die einen haben’s mit der Ero-Tik, die anderen nur nen ELO-Tick!

Danach dünstet der Pflaumenwein von gestern aus der hauseigenen Sauna und wir treten aufgeheizt an zur vorletzten Schlacht.

Thomas verliert leider gegen GM Naumann, weil er sich nicht traute ein Qualiopfer, das er (der Gegner aber nicht) sah, zu spielen. Schade! Albert bekommt überraschend den Engländer Quinn, obwohl er gegen Salvermoser gelost war. Eine Rückfrage bei der Turnierleitung ergab, dass der sich krank gemeldet habe. Nur komisch, dass er am Sonntag wieder da war. Letztes Jahr hatte ihn Albert ja kurzzügig abgefieselt. Ob da noch etwas in der Hose klebte?

Wie auch immer: Albert gewann und ich räche Rainer, indem ich seinen Gegner von gestern sicher niederhalte. Rainer wiederum spielt heute wie im Rausch; ein Opfer alla Tal oder Morphy – er ist wieder da!

Jörg spielt seinen Gegner gnadenlos an die Wand, während Eugen nach seinem 4. Remis und ohne Sieg bekanntgibt, dass er zur letzten Runde nicht mehr antreten wird. Betretenes Schweigen, aber vollstes Verständnis unsererseits.

Vorne wird durch den Sieg von Khalifman gegen den bisher souverän führenden Sandipan noch einmal alles durcheinander gewirbelt. Mit 7 aus 8 führen nun Khalifman, Fridman und Khenkin.

Zum Abschied aus der Wiesseer Gastronomie begibt man sich in Weinbauer’s Marillendestille. Zwar kein Hochmoor, aber diese Nebelbänke dort draußen …

 

Runde 9

Um die Wurst geht’s nicht mehr, aber etwas „window-dressing“ dürfte es schon noch sein. Die Vorsätze der einzelnen führten dabei zu folgenden Ergebnissen:

They always come back – und eine schlimmere Drohung gibt es wohl kaum!

Summa summarum ist es auch nach 10 Jahren Krumbacher Präsenz bei diesem Open keineswegs langweilig. Kein Tag vergeht, an dem man ähnlich wie an der Börse von Angst und Gier bestimmt wird. Bauer? Opfer? Matt? Abwickeln? Fragen über Fragen und für jede gibt es immer zumindest eine korrekte und eine synapsen-brändige Lösung! Chess is fun, yes it is! And we all will come back again to prove, that life on 64 square fields isn’t boring and friendship is one of the greatest gifts on earth!

Und darauf zum Schluß noch einen Dujardin! Oder doch lieber nen Bommerlunder?

Vorne kam es in der letzten Runde zum Zusammenschluss: 6 GM’s mit 7,5 Punkten in der Reihenfolge: GM Khalifman, GM Fridman, GM Azarov, GM Sandipan, GM Khenkin, GM Graf. Hier geht’s zum kompletten Endstand.

 

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